Ich werde mein Studio auflösen. Lange habe ich darüber nachgedacht ob ich was zu den Gründen schreibe, die zu dem Punkt geführt haben, dass ich diesen Kurs einschlage. Immerhin hatte ich jetzt ca. 10 Jahre immer ein eigenes Studio. Ein eigenen Raum für meine Shootings und sonstigen kreativen Projekte. Ein Raum der die Grundlage und die Sicherheit für mich und meine fotografische Arbeit geboten hat. Ihr könnt euch daher vorstellen, dass die Entscheidung echt nicht einfach war. Vor allem nachdem ich vor nicht mal einem Jahr zum 2. Mal mit dem Studio umgezogen bin, in den letzten 10 Jahren viel Geld und Zeit sowie auch Herzblut in das Studio investiert habe und es aufzulösen auch bedeutet, für die Zukunft nicht mehr so viele Möglichkeiten zu haben, wie ich sie mit dem Studio habe bzw. gehabt haben werde....oder so. Doch was hat zu der Entscheidung geführt? Und warum die Überlegung offen über die Gründe zu sprechen? Weil es um Themen geht die viele viele andere Menschen auch betreffen. Weil es um Themen geht über die man sprechen muss und Erfahrungen sind, die einen hohen Preis kosten, den ich gerne anderen ersparen möchte. Wie wir alle wissen, sind die letzten Jahre, gerade für uns Kreativschaffende alles andere als einfach gewesen. Corona hat uns Jahre lang das Leben und die Arbeit erschwert. Jahr um Jahr die Sorge, ob man das Jahr übersteht. Gefolgt vom Ukraine Krieg, Energiekrise, Inflation, der Klimawandel der immer greifbarer wird und aktuell einer Filmbranche der es alles andere als gut geht. Und das alles innerhalb weniger Jahre. Allein die Belastung fordert früher oder später ihren Tribut. Leider hört es in meinem Fall dabei nicht auf. Die Liste an weiteren Krisen im Privatleben geht noch ein gutes Stück weiter. Eine Krise folgte der nächsten, ohne dass wirklich Zeit dazwischen war, alles zu verarbeiten und mal durchzuatmen. Allein in den letzten 15 Jahren sind 6 Familienmitglieder gestorben, sowie auch aus dem Freundes und Bekanntenkreis. Trennungen, enge Freundschaften die zerbrachen sowie noch ein paar andere Dinge die ebenfalls tiefe Wunden hinterlassen haben. Und währenddessen hab ich daran gearbeitet meine Selbstständigkeit voran zu bringen und mir ein Standing als Fotograf, insbesondere in der Filmbranche, aufzubauen. Vor Corona ging das auch noch. Vor Corona hatte ich noch das nötige Feuer in mir, das mich antrieb. Mit bzw. ab Corona kam dann noch ein ganzer Batzen mit dazu. Und so zog sich die Schlinge immer enger um mich und zog mich weiter, tiefer nach unten. An sich war ich es gewohnt, immer mal wieder depressive Phasen zu haben. Doch diesmal war es anders. Ich nahm es kaum wahr, wie sich die Depression immer weiter und tiefer in mir breit machte. Als mir das bewusst wurde, dass es mehr als nur eine Phase ist, dass es diesmal weit mehr Einfluss auf mein Leben hat, war ich schon zu sehr gefangen, als das ich mich selbst befreien konnte. Der Antrieb, die Motivation, die Kreativität schwanden immer mehr. Also hab ich mir Anfang 2023 professionelle Hilfe gesucht. Diagnose: ADHS (mit autistischen Zügen), eine Mittelgradige Depression sowie auch eine Panikstörung. Ersteres muss ich dazu sagen, wurde bei mir schon mit 11 diagnostiziert. Doch damals wurde es nicht lange behandelt und man war noch der Ansicht dass es "rauswächst". Von daher war es nie wirklich von Bedeutung für mich und ich hab nicht einen Gedanken daran verschwendet, welche Einfluss die Neurodivergenz auf mein Leben hatte und hat. Zumindest hatte ich jetzt eine Antwort auf so einige Dinge. Das dumme nur ist, das eine unbehandelte Neurodivergenz (Der Überbegriff für das ADHS/Autismus sowie auch Legasthenie, Dyskalkulie und noch paar andere "Störungen") der perfekte Nährboden für Depressionen sind, die seit letztem Jahr ihren bisherigen Höhepunkt erreichte. Eine Panikattacke folgte der nächsten, ausgelöst durch Ereignisse die massiven psychischen Stress auf mich ausübten. Dementsprechend auch mehr und mehr Einfluss auf meine Arbeit und die Motivation dahinter nahmen. Die Frustrationsschwelle wurde immer niedriger, der Druck immer höher. In diesem Chaos musste ich mich dann auch mit den neuen Erkenntnissen über mich auseinander setzen. Was sie für mich und mein Leben sowie auch meine Arbeitsweise bedeuten. Was kommt vom ADHS, was von der Depression - denn beides hat teilweise die selben Symptome. Gegen Winter 2023/2024 ging es dann soweit das ich nicht mal genug Energie hatte das Haus zu verlassen. Teilweise nahm es solche Ausmaße an dass ich sogar Angst davor hatte das Haus zu verlassen. Jedes wehwechen hat in meinem Kopf direkt Stress und Angst ausgelöst, das es irgendwas ist, was Anzeichen für eine tödliche Krankheit ist. Dummerweise sind psychosomatische Auswirkungen auch ein Symptom einer Depression. Ist das Engegefühl in der Brust was ernstes oder einfach nur der Kopf der mir einen Streich spielt. Ein beschissener Teufelskreis an Bullshit. Antidepressiva waren eher so ein Tropfen auf den heissen Stein. Die ersten Medikamente fürs ADHS wollten auch nicht so wirklich anschlagen, gaben mir aber zumindest mit der Zeit die nötige Energie, wenigstens den halben Tag produktiv sein zu können. Energie ist allein bei ADHS schon so eine Geschichte. Ein Telefonat, eine Autofahrt, Einkaufen etc. Allein eine Task davon kann schon so viel Energie wie ein ganzer Arbeitstag kosten. Die Depression tut ihr Rest dazu. Geplante Shootings und Projekten wurden immer mehr zu einer Belastung, etwas das mir Angst machte, Angst die Leistung nicht zu erbringen, die Erwartungen nicht zu erfüllen. Zu versagen. Das ich natürlich an mich auch einen gewissen Anspruch habe, was die eigene Arbeit und Leistung angeht, sowie die gesellschaftliche Norm & Erwartungshaltung bzgl. Arbeit & Leistung, hat es nicht besser gemacht und baute bzw. baut immer noch Druck auf. Sich bewusst zu sein das man eigentlich die Mittel hat, ultra Produktiv zu sein und allmöglichen Projekte umzusetzen, aber der Körper und Geist einfach blockieren weil die Energie dazu nicht da ist, ist richtig frustrierend. Was andere an einem Tag schaffen, braucht bei mir teilweise ne Woche. Und gerade in der Filmbranche sind viele Perks nötig, die ich aktuell nicht mehr so leisten kann, wie früher.
Socializing / Networking? - Vergiss es. Am Ball bleiben und Leuten hinterherrennen? - Vergiss es. Auf Branchen Veranstaltungen zu gehen, sich unzähligen Sinneseindrücken zu stellen? - Vergiss es. Mit der Frustration klar kommen dass man für ne Produktion nicht genommen wurde? - Vergiss es. Kreative Prozesse abrufen? - Vergiss es. Etliche Mails an Produktionsfirmen oder Agenturen schreiben? - Vergiss es. Sich hinsetzen und Konzepte ausarbeiten? - Vergiss es. Es musste sich was ändern. Also hab ich angefangen die Dinge, die ich beeinflussen konnte, die mit für den Druck und den psychischen Stress verantwortlich waren, aus meinem Leben zu verbannen. "Familie" & "Freunde" war das erste was dem Kahlschlag zu Opfer fiel. Es wurde leichter, aber bei weitem nicht genug. Und dass es dieses Jahr aufgrund der Situation in der Filmbranche auch finanziell bis her echt beschissen lief, brachte noch mehr Sorgen. Denn das Studio ist natürlich auch eine finanzielle Verantwortung mit nem Rattenschwanz und die Sorge, wie lange ich es halten kann, bis die Lage wieder besser wird, war allgegenwärtig und erstickte jede auflodernde Flamme an Kreativität oder Energie. Natürlich hab ich viele Ideen, Ansätze und Pläne um das Studio am laufen zu halten. Aber das alles ist bedeutungslos wenn du nicht in der Lage bist diese umzusetzen, weil einfach keine Energie da ist. Depression und ADHS ist für sowas eine absolut kontraproduktive Mischung. An sich bin ich, was mein Studio anging, immer sehr Hartnäckig gewesen. Egal welcher Sturm aufzieht, wir segeln das Schiff hindurch. Das Problem ist nur. Das Schiff ist schon halb am Untergehen und würde den Sturm niemals überstehen. Und das ist etwas was mir die letzten Wochen nach einer erneuten, ziemlich harten Panikattacke und einigen Nervenzusammenbrüchen, zusammen mit meinem Körper, der eindeutige Signale in Form von Erkrankunen & Wehwechen schickte, bewusst geworden ist. Das Studio ist für meine aktuelle Situation keine Bereicherung mehr, sondern ist zu einer Belastung geworden. Auch selbst wenn sich die finanzielle Situation auf einen Schlag verbessern würde, wird es nichts daran ändern das die aktuelle Lage zu ungewiss ist und ich immer wieder damit konfrontiert werden würde, ob und wie lange ich das Studio halten kann, da ich momentan einfach nicht die Energie habe, die es für das Studio bräuchte. Ich muss mir Zeit für mich nehmen um Mental wieder Gesund zu werden, muss für mich herausfinden wie ich mein Leben und meine Arbeitsweise an den Umstand meiner Neurodivergenz anpasse, muss meinen Kopf frei bekommen und wieder die Verbindung zu meinem kreativen Ich finden. Ohne das Studio bin ich gezwungen neue Wege einzuschlagen, was meine fotografische Arbeit angeht. Neue Eindrücke zu sammeln, zu experimentieren und meine Stimme zu finden. Ich bin Künstler, aber wenn ihr mich jetzt fragen würdet, was ich ausdrücken will, könnte ich euch keine Aussage dazu geben. Das heisst nicht, das ich die Fotografie ganz an den Nagel hängen werde. Ich werde immer noch Schauspielportraits anbieten und werde auch weiterhin als Standfotograf für Produktionen arbeiten, Nur ohne den Druck mich zu sehr aufs finanzielle fokussieren zu müssen und außerhalb der fotografischen Komfortzone die mein Studio mir geboten hat. Auf neuen und anderen Wegen. Daher wundert euch nicht , wenn es die nächsten Monate ruhiger werden könnte. Es ist für mich Zeit geworden, die Reset Button zu drücken. Zum Ende möchte ich euch noch mit auf den Weg geben: Nehmt Depressionen oder depressive Phasen ernst. Nehmt euch, wenn möglich Zeit für ne Pause, um mal durchzuatmen. Sucht euch professionelle Hilfe (was aktuell leider nicht so einfach ist) oder sprecht zumindest mit anderen darüber oder sucht andere die betroffen sind. Tauscht euch aus! Ihr seid nicht allein! Übrigens eine Sache die echt gut getan hat, als ich mich intensiver mit ADHS befasst habe und gemerkt habe: Hey, da gibt es noch andere die das gleiche durchmachen wie ich. Ich bin nicht allein. Und wenn ihr selbst nicht betroffen seid, aber jemand kennt. Nehmt die Person ernst, seid für sie da, und wenn es einfach nur Still nebeneinander sitzen ist. Und habt den Mut für einen harten Kurswechsel, auch wenn der Preis im ersten Moment hoch erscheint. Aber, wie ich vor kurzem gelesen habe: If it costs you your mental health, it´s too expensive. Falls ihr allgemein Fragen zum Thema Neurodivergenz / ADHS etc. habt, scheut euch nicht mir zu Schreiben. Gerade in der Kreativbranche ist die Schnittmenge sehr sehr groß :) In diesem Sinne, ein Abschied der aber kein Ende ist. Bis bald. Und passt auf euch auf :)
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